Auf welcher Erfahrung baut dieses Buch auf?
GH: In Pressearbeit praktisch erzähle ich von der allerersten Pressekonferenz, die ich in meinem Leben organisiert habe. Das war 1986. Seitdem haben Peter Lokk und ich viele Pressekonferenzen über die Bühne gebracht. Wir haben Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Vereine und Verbände gemacht. Ich habe viele Unternehmen bei dem Prozess der Öffentlichkeitsarbeit klassisch und bei dem Prozess der Öffentlichkeitsarbeit online begleitet.
PL: Das Buch basiert auf meiner Erfahrung im Bereich Pressearbeit, etwa fürs Bildungszentrum der Stadt Nürnberg. Es kommt aber genauso aus den vielen, vielen Lehrgängen und Kursen, die Gabriele Hooffacker und ich gemeinsam im Laufe der letzten 20 Jahre durchgeführt haben: für öffentliche Einrichtungen, für Nicht-Regierungs-Organisationen und für hauptberufliche und ehrenamtliche Pressereferenten und Öffentlichkeitsarbeiter.
Das Thema Social Media zieht sich als durchgehender Faden durch den Text. Welche Bedeutung messen Sie ihm bei?
PL: Social Media haben eine beständig zunehmende unterstützende Funktion für Pressearbeit und Öffentlichkeitsarbeit.
GH: Ich hab mir Vorträge von Kollegen angehört, die sagen: „Wir machen überhaupt keine klassische Öffentlichkeitsarbeit mehr, wir machen das jetzt alles über Social Media“. Davon würde ich eher abraten, wenn es nicht um eine ganz ganz spezielle Zielgruppe geht. Pressearbeit und Social Media gehören zusammen. Das wollten wir mit diesem Buch auch rüberbringen.
Was ist das Revolutionäre an den Social Media?
GH: Die Nutzer können ohne den Journalisten als „Gatekeeper“ auf die Quellen zugreifen. Es ist da ein Bereich der direkten Kommunikation mit den Nutzern entstanden. Der ist für jeden wichtig, der irgendwie im Internet unterwegs ist. Was ich noch viel wichtiger finde, ist, dass sich jetzt die Nutzer untereinander austauschen und zwar ganz ohne irgendeinen Vermittler. Natürlich nutzen sie Plattformen wie soziale Netzwerke oder andere Social-Media-Anwendungen. Aber es gibt keinen Filter mehr und keinen, der sagt: Das darfst du nicht! Sie reden einfach: Über die Produkte, über die Unternehmen, über die Verbände, über die Vereine. Und das gilt es zu verstehen, dass sich da was verändert hat, dass ich mich in diese Medien einschalten kann, dass ich da mit dabei sein kann. Weder als Journalist noch als Pressesprecher bin ich noch der Gatekeeper, an dem nichts mehr vorbei geht, sondern ein Nutzer unter vielen. Das ist die dramatische Veränderung, die durch Social Media passiert ist.
Warum hat die Welt auf dieses Buch gewartet?
PL: Weil wir es gerade geschrieben haben und es veröffentlichen werden.
GH: Von mir gibt es ein Buch über Online-Journalismus. Zum Thema Pressearbeit gibt es noch kein Buch in der Gelben Reihe. Das ist das erste Buch in der Gelben Reihe „Journalistische Praxis“, das sich mit der Pressearbeit beschäftigt – und das allein ist schon ein Alleinstellungsmerkmal.
Bei der Schülerzeitung erlebte sie eine journalistische Urerfahrung: „Wir schrieben über die Einführung der Kollegstufe und was das für ein organisatorisches Chaos war. Das durfte natürlich nicht in einer Zeitung stehen, die der Direktor genehmigte. Ich war sehr empört. Ich hatte ja nur die Wahrheit geschrieben.“ Ungerechtigkeiten mag sie nicht stehen lassen: „An der Universität hatte ich Kommilitoninnen, die sagten: Mei, des is halt aso. Aber es muss doch nicht so bleiben!“ Waren Sie eine zornige junge Frau? Hooffacker verneint: „Man muss nicht zornig sein, wenn man anderer Meinung ist oder etwas möchte. Das erreicht man mit anderen Methoden vielleicht besser.“
Eine Methode war, das Internet zu nutzen. Sie und Peter Lokk hatten es sehr früh als soziales Medium entdeckt: „Toll, jetzt melden sich die Leute selbst zu Wort!“ Aufbauend auf der alternativen Stadtzeitungsszene riefen die beiden 1987 das CL-Netz ins Leben. Umwelt-, Frauen- und Friedensgruppen fanden dort eine Kommunikationsplattform. Trotzdem unkte es aus den eigenen Reihen: „Du kannst ja weiter Computer spielen. Wir machen Politik!“ In der Rückschau sieht sich Gabriele Hooffacker bestätigt: „Die haben inzwischen dazugelernt.“ 1997 stieg sie beim CL-Netz aus. Die Mitstreiter des Projekts wollten nicht Schritt halten mit den immer neuen technischen Möglichkeiten.
„Ich werde ganz fuchtig, wenn ich nicht mitgestalten kann. Ich will etwas gestalten!“, sagt sie. Als Kind schon hat sie Science-Fiction-Geschichten geschrieben. Entsprechend antwortet sie auf die Frage, in welcher Tradition sie sich sieht: Huxley und Orwell, Autoren von Zukunftsromanen. „In der Zukunft!“ sagt sie, „da wär ich gern mit dabei. Ich würde gern in die Zukunft reisen können!“ Das ist kein Wunder. Gabriele Hooffacker war schon oft ihrer Zeit voraus.
Von Gregor Kern
Als das Wort „Computer“ für die meisten noch nach Science Fiction klang, besaß die Journalistin Gabriele Hooffacker einen Osborne 1. Das war ein früher Vorläufer eines Laptops. „Er wog elf Kilo und war ein ziemlicher Koffer,“ erinnert sich Hooffacker. „Die meisten hielten ihn für eine tragbare Nähmaschine.“ 1984 wollte sie damit in München in die Staatsbibliothek gehen. „Sie können gern reinkommen, aber die Höllenmaschine bleibt draußen!“ Nach einigen bürokratischen Hürden war die heute 52-Jährige die erste Person, die mit einem mobilen Computer dort Einlass fand.
Gabriele Hooffacker war oft die Erste. Sie war die Erste in ihrer Familie, die eine Universität besucht hat. Mit dem CL-Netz hat sie die erste erfolgreiche soziale und politische Plattform im Internet mitbegründet. Früh erkannte sie die Chancen des World Wide Web. Damit wurde sie zu einer Vorreiterin des Online-Journalismus und der Online-PR. Beides lehrt sie in Unternehmen, Redaktionen, Journalistikstudiengängen und an der Journalistenakademie in München. Das Institut hat sie im Jahr 1999 gegründet und leitet es bis heute.
Ihre Fächerkombination an der Ludwig-Maximilians-Universität in München war exotisch: Germanistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften.
„Ich habe als Kind gern Radio gehört und pausenlos Geschichten aufgeschrieben.“ Ermutigt von ihrer Mutter schickte die Siebenjährige ausgewählte Werke an den Kinderfunk. Bald darauf lag eine Einladung ins Funkhaus des Bayerischen Rundfunks im Briefkasten. Von da an durfte sie beim Kinderfunk regelmäßig mitmachen.
Der Weg in den Journalismus war damit noch nicht vorgezeichnet: „Ich kannte Journalisten vom Rundfunk her: Alle saßen hinter Schreibtischen. Das hatte wenig von dem, was ich mir so vorgestellt hatte.“ Trotzdem folgte sie dem Rat von Candida Frank, der Leiterin des Kinderfunks, und gründete eine Schülerzeitung. Gabriele Hooffacker schrieb ständig – mit der Zeit auch professionell. Doch auch Lehramt oder Wissenschaft blieben lange Zeit attraktiv. Als der Freistaat Bayern in den 80er-Jahren keine Gymnasiallehrer einstellen wollte, war die Entscheidung klar: „Besser eine vielbeschäftigte Journalistin als arbeitslos.“ Doch bis heute wandelt sie zwischen diesen beruflichen Polen: „Ich bin ja eine Grenzüberschreiterin. Ich bin immer da, wo man mich nicht erwartet.“
Interview von Gregor Kern
Schon wieder ein Buch über Pressearbeit. Worin unterscheidet es sich von anderen Veröffentlichungen zum Thema?
Gabriele Hooffacker: Pressearbeit praktisch ist das erste Buch, das Social Media, Online-PR und alles, was das Thema Internet angeht, vom ersten bis zum letzten Kapitel mit einbezieht. Wir wollen zeigen: Das Handwerk hat sich grundlegend verändert. Es ist ein umfassendes Handbuch für alle Bereiche der Pressearbeit.
Peter Lokk: Das Buch behandelt sowohl die klassischen Formen der Pressearbeit wie auch die modernen.
GH: Wir waren immer ganz vorne dran. Schon Ende der 80er-Jahre waren wir immer diejenigen, die auf Seminaren und Tagungen gesagt haben: „Hey, vergesst mal das Internet nicht, das ist wichtig“, als die meisten noch meinten, das sei nur Spielerei oder was für Techniker.
Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Buch?
PL: Wir stellen zeitgemäße journalistische Pressearbeit sowohl für Berufseinsteiger wie auch für Menschen vor, die schon länger in diesem Beruf sind und neue Formen kennenlernen wollen. Und es ist auch für Ausbilder – Menschen, die Pressearbeit unterrichten – eine Hilfe.
GH: Also angenommen, ich bin Vorstand eines Vereins. Für den möchte ich Non-Profit-PR machen. Da kann ich das Buch nehmen und sofort loslegen. Oder ich bin in einem Unternehmen und will wissen, was ich in einem Fall von Krisen-PR mache. Oder eine Agentur will junge Leute ausbilden. Dafür ist hier alles, was zur Pressearbeit gehört, ganz kompakt zusammenstellt.
PL: Das Buch richtet sich auch an kreative Quereinsteiger und an Journalisten, die in den Bereich Pressearbeit oder Unternehmenskommunikation wechseln wollen.