Auch die Deutsche Bahn wollte vom Social-Media-Hype profitieren und bot zwischen Oktober und November 2010 das sogenannte „Chef-Ticket“ zum Kauf für nur 25 Euro an. Die Bahn hatte aber wohl nicht mit der Kontaktfreude der Nutzer gerechnet und konnte auf der extra eingerichteten Facebook-Seite nicht angemessen auf Fragen und Kritik reagieren. Vor allem aber war unter den Usern nicht das Angebot Gesprächsthema, sondern nicht funktionierende Klimaanlagen in Zügen und das Bauprojekt „Stuttgart 21“. Die Folge: Wütende User, keine Moderation der Kommentare und ein PR-Debakel
Inzwischen hat die Bahn gelernt und so sieht das neueste Social-Media-Projekt der Berliner schon vielversprechender aus. Mehrere Monate plante der Konzern den Twitter-Account @DB_Bahn, der seit Anfang Juni von acht Mitarbeitern betreut wird. Jeden Werktag zwischen 6 und 20 Uhr geben die Mitarbeiter direkt Rückmeldungen an die User, die mit Problemen aller Art auf das Team zukommen. Schon vor dem Start des Twitter-Kanals lobten viele Blogger das Projekt der Bahn.
Eine weitere erfolgreiche PR-Kampagne, die maßgeblich durch das Social-Web getragen wurde, ist die des Parfüms „Old Spice“. Der amerikanische Konzern Procter & Gamble wollte dem Produkt neues Leben einhauchen, weil es bei vielen jungen Kunden ein schlechtes Image hatte. Der Konzern schaltete im Rahmen der Übertragung des Super-Bowls einen knapp 30-sekündigen Spot, welcher seinen Zweck nicht verfehlte. Das Parfüm wurde über Nacht zum Gesprächsthema, die Werbevideos bei YouTube mehrere Millionen Male angesehen.
Später ging man mit personalisierten Video-Antworten auf User-Fragen sogar noch einen Schritt weiter. Den YouTube-Kanal von „Old Spice“ haben inzwischen fast 270.000 Menschen abonniert, die Facebook-Seite zählt bereits mehr als 1,5 Millionen „Gefällt mir“-Einträge und etwa 125.000 Internetnutzer folgen dem Twitter-Account des Parfüms.
Es zeigt sich: Unternehmen können mit Social-Media-Aktionen in kürzester Zeit viele Internetnutzer mobilisieren und sich dadurch ins Gespräch bringen. Das Projekt sollte aber gut durchdacht sein und nicht unüberlegt gestartet werden. Denn die Masse der User ist unberechenbar, will aber dennoch ernst genommen werden.
Von Timo Niemeier
Fast 30 Prozent der im Internet abgegebenen Bewertungen werden von Firmen und Organisationen selbst gemacht. Das schätzt zumindest das Empfehlungsportal Benchpark.com, auf dem Unternehmen andere Agenturen und Verbände bewerten. Die Tendenz ist steigend, denn oft gibt es auf den Bewertungsportalen im Netz keine systematischen Kontrollen. Jeder kann seine Meinung posten – positiv wie negativ. Laut Benchpark.com würden sich besonders Kreativagenturen häufig selbst gut darstellen.
Mit einer solchen versteckten Selbstinszenierung ist die WeTab GmbH aufgeflogen. Der Tablet-Computer der Firma wurde im Vorfeld des Verkaufsstarts im September 2010 oft mit dem iPad von Apple verglichen. Er erhielt beim Online-Händler Amazon zum Start viele Bewertungen. Zwei der abgegeben Kommentare waren allerdings derart überschwänglich, dass einige Nutzer stutzig wurden. Sie forschten nach und fanden heraus, dass sich hinter den Amazon-Kunden Peter Glaser und Claudia Kaden der Geschäftsführer des Unternehmens, Helmut Hoffer von Ankershoffen, und dessen Frau Sandra versteckten.
Der Journalist und Blogger Richard Gutjahr machte die Sache schließlich mit einem Eintrag in seinem Blog öffentlich. WeTab-Chef Helmut Hoffer von Ankershoffen gab daraufhin zu, die Bewertungen bei Amazon selbst geschrieben zu haben und trat zurück. Er erklärte zwar, es sei ein Fehler gewesen, die Einträge unter einem falschen Namen vorzunehmen. Inhaltlich stehe er aber voll hinter dem, was er geschrieben habe. Für das Unternehmen wurde die Aktion zu einem riesigen PR-Debakel.
Noch heute wird das Unternehmen immer wieder mit den gefälschten Amazon-Bewertungen in Verbindung gebracht. Warum dennoch viele Firmen versuchen, mit dieser Methode neue Kunden zu locken, weiß Dirk Maass, Geschäftsführer des Portals Benchpark.com: „Seit bekannt ist, dass positive Bewertungen die Trefferposition auf Google verbessern, erreicht dieses Problem neue Dimensionen“, erklärte der Experte in einer Pressemitteilung. Ob wirklich 30 Prozent der Bewertungen im Internet gefälscht sind, ist nicht zu sagen. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich noch viel höher.
Die PR-Fachleute aus Unternehmen tun gut daran, auch im Internet ehrliche Pressearbeit zu betreiben, denn die vermeintliche Anonymität ist trügerisch: Überschwänglich positive Kommentare zu eigenen Produkten fliegen meist auf, denn jeder Nutzer hinterlässt auch in der digitalen Welt seine Spuren. Wird ein solcher Fall der Selbstbeweihräucherung bekannt, rückt dieser das ganze Unternehmen in ein schlechtes Licht – und zwar besonders bei den Personen, die man eigentlich erreichen wollte: den Endverbrauchern.
Von Timo Niemeier
Mit mehr als 18 Millionen registrierten Mitgliedern aus Deutschland ist Facebook zu einer attraktiven Plattform für werbende Unternehmen geworden. Von Puma über McDonald‘s, BMW bis zur großen Kinokette vor Ort: Alle sind mit einer eigenen Seite in dem Netzwerk vertreten. Die einen nutzen den Kanal einseitig und versorgen die Nutzer lediglich mit Informationen. Die anderen setzen auf Kommunikation. Sie diskutieren mit den Usern und fordern zum Mitmachen auf.
Das wollte auch der Henkel-Konzern machen und startete eine Online-Kampagne für sein Spülmittel Pril. Die Internetnutzer sollten ein neues Design für eine Spülflasche entwerfen, die zwei beliebtesten Motive wollte der Konzern in den Handel schicken. Verbreitet wurde die Aktion auf der eigenen Facebook-Seite. Doch dann kam alles anders als gedacht. Skurrile Designs waren bei den Nutzern am beliebtesten, das Motiv einer braunen Flasche mit der Aufschrift „Schmeckt lecker nach Hähnchen“ fand sich zwischenzeitlich auf dem ersten Platz wieder.
Mitten im Wettbewerb erklärte Pril, bei der Stimmabgabe sei geschummelt worden und löschte daraufhin viele Stimmen. So wurde das Ranking kräftig durcheinander gewürfelt – viele kuriose Designs fielen von den vorderen Plätzen. Die User waren empört, liefen Sturm gegen die Entscheidung und warfen Pril Betrug vor. Die Sieger waren schließlich zwei harmlose Motive. Sie wirkten, als habe der Konzern sie unbedingt gewinnen lassen wollen. Die Marke Pril war durch die Aktion zwar häufig Gesprächsthema, durch einige unglückliche Entscheidungen des Unternehmens und den Proteststurm der User aber eher negativ.
Deutlich besser reagierte der Versandhändler Otto. Bei einem Modelwettbewerb stimmten die meisten User für den BWL-Studenten Sascha, der sich als blonde Frau mit dem Namen „Brigitte“ verkleidet hatte. Otto hielt sein Versprechen und machte ein Fotoshooting mit dem Sieger. Sascha alias Brigitte war danach für zwei Wochen das Gesicht der Otto-Facebook-Fanpage. Das Unternehmen bekam für seine konsequente Haltung viel Userlob.
Zu dieser Zeit gab es noch kein Facebook, Twitter oder Web 2.0. Doch schon damals erkannten die vier Autoren Christopher Locke, David Weinberger, Rick Levine und Doc Searls das Internet als einen Ort des Dialogs. Mit antiautoritärem Gestus nahmen ihre 95 Thesen vorweg, was heute das Web 2.0 ausmacht: Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Verbraucher sind mündige Menschen. Als diese wollen sie ernstgenommen werden. Erkenntnisse, von denen auch Pressereferenten und Öffentlichkeitsarbeiter im Umgang mit ihren Dialoggruppen profitieren können.
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