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„Es wurde mit unterschiedlichem Maß gemessen“

Gisela Goblirsch

PR-Expertin Gisela Goblirsch

Karl Theodor zu Guttenberg trat schließlich am 1. März 2011 von seinem Amt zurück. Ob dieser Schritt zu spät kam, will Gisela Goblirsch nicht beurteilen. Sie verweist dagegen auf den Fall der FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin und prangert das Verhalten der Öffentlichkeit an. „Hier wurde mit unterschiedlichem Maß gemessen.“ Guttenberg und seine Familie seien „vernichtet“ worden. Koch-Mehrin erging es da wesentlich besser. Wenngleich sie schneller von ihren Ämtern zurücktrat, sagt die PR-Expertin: „Die beiden Fälle kann man im Kern gut miteinander vergleichen.“

Für viele PR-Experten war die Reaktion Guttenbergs unverständlich. Sie sagten, er hätte die Folgen seiner Lügen absehen müssen. Nach deren Meinung wäre der Minister besser gefahren, wenn er sofort alles zugegeben hätte. Gisela Goblirsch sieht das differenziert. Sie sagt, dass in diesem Fall neben der persönlichen Ebene auch politische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte zu berücksichtigen gewesen seien. Dies ad hoc alleine zu entscheiden, war sicherlich extrem schwierig. Im Nachhinein zu urteilen, sei sehr viel leichter.

Der Fall Käßmann

Ganz anders als Karl Theodor zu Guttenberg reagierte Margot Käßmann. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde am 20. Februar von der Polizei erwischt, als sie unter Alkoholeinfluss eine rote Ampel überfuhr. Nachdem der Fall wenige Tage später bekannt wurde, gestand Käßmann ihren Fehler ein: „Ich bin über mich selbst erschrocken, dass ich einen so schlimmen Fehler gemacht habe.“

Der Rat der EKD sicherte Käßmann zwar vollen Rückhalt zu. Doch die damals 51-Jährige zog nur einen Tag nach Bekanntwerden der Alkoholfahrt Konsequenzen und trat von ihren kirchlichen Spitzenämtern zurück. Sie erklärte, dass die Fahrt unter Alkoholeinfluss ihre Führungsämter beschädigt habe und sie diese nun nicht mehr mit der notwendigen Autorität ausführen könne.

Positive Reaktionen nach Rücktritt

In den Tagen und Wochen danach wurde der Rücktritt Käßmanns in der Öffentlichkeit überwiegend positiv aufgenommen. Auch PR-Expertin Gisela Goblirsch sieht das so: „Sie hat in dieser Situation mit Abstand das Beste getan, was sie tun konnte.“ Goblirsch sagt, dass es in der Regel besser sei, sofort einen Schnitt zu machen. „Man kommt als Person dann ehrlicher aus der Situation heraus.“

Dies wird besonders durch den weiteren Werdegang Käßmanns deutlich. Auf dem Ökumenischen Kirchentag 2010 wurde sie begeistert empfangen. Seit Januar 2011 ist sie zudem Gastprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum. Im Vergleich mit Karl Theodor zu Guttenberg steht sie heute besser da. Vergleichen will Goblirsch die Fälle aber nicht: „Käßmann hatte im Vergleich nicht so viel zu verlieren und saß nicht in diesen engen politischen Zwängen. Außerdem ist durch ihren Fehler kein System beschädigt worden. Sie hat die persönlichen Konsequenzen gezogen, damit hatte sie es viel leichter als Guttenberg.“

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Geschasst und gefeiert

Die PR-Strategien von Guttenberg und Käßmann im Vergleich

Von Timo Niemeier

Zwei bekannte Personen, beide standen im Kreuzfeuer der Kritik: Karl Theodor zu Guttenberg musste wegen Plagiaten in seiner Doktorarbeit seinen Ministerposten aufgeben. Margot Käßmann setzte sich unter Alkoholeinfluss ans Steuer, auch sie räumte ihren Platz als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Doch Guttenberg und Käßmann setzten auf zwei unterschiedliche Strategien in der PR-Arbeit.

Eine Lawine hat die „Süddeutsche Zeitung“ am 16. Februar 2011 losgetreten. Das Blatt berichtete über Unregelmäßigkeiten in der Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg. Der damalige Verteidigungsminister soll getäuscht und etliche Plagiate verwendet haben. Guttenberg stritt damals alles ab und bezeichnete die Vorwürfe als „abstrus“. Die zuständige Universität in Bayreuth kündigte an, dass sie den Fall untersuchen werde.

User beteiligen sich an der Suche nach Plagiaten

Screenshot GutenPlag-Wiki

Screenshot GutenPlag-Wiki

Daraufhin griffen immer mehr Medien das Thema auf. Im Internet formierte sich die Gruppierung „Guttenplag-Wiki“, die koordiniert in der Doktorarbeit nach weiteren Plagiaten suchte. Guttenberg räumte inzwischen Fehler ein und gab bekannt, dass er seinen Doktortitel bis zum Abschluss der Untersuchungen niederlegen wolle. Das Guttenplag-Wiki teilte mit, dass 70 Prozent der untersuchten Seiten mögliche Plagiate enthalten.

Guttenberg erklärte daraufhin, dass er dauerhaft auf seinen Doktortitel verzichten wolle. Ein Rücktritt kam für ihn nicht in Frage.  Für Gisela Goblirsch, PR-Fachfrau mit der Spezialisierung auf Krisen-PR, ist die Situation schwer einzuschätzen: „Ich kenne die internen Abläufe nicht. Aber ein Politiker in der Stellung ist extremen Verflechtungen ausgesetzt. Die ganze Sache ging nicht nur ihn etwas an. Auch die Partei und die Bundesregierung waren davon betroffen.“ Wenige Tage später erkannte die Uni Bayreuth ihm den Doktortitel ab, im Bundestag wurde der Minister während einer Fragerunde von der Opposition als „Hochstapler“ beschimpft.

Nach und nach stellten sich auch immer mehr Unionspolitiker gegen Guttenberg. 20.000 Doktoranden protestierten außerdem in einem Offenen Brief an Angela Merkel.

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